Die Bergsteigerdörfer kennen keine Grenzen

Die internationale Initiative Bergsteigerdörfer nahm vor zwei Jahren die erste slowenische Gemeinde auf - Jezersko. Doch schon zuvor war eine slowenischsprachige Gemeinde Teil der Bergsteigerdörfer – die Kärntner Berggemeinde Zell-Sele, am Fuße der mächtigen Felswand der Koschuta gelegen, ist seit 2013 Mitglied.

    Autor BOJAN WAKOUNIG

Das Entdecken der Natur und ihrer Schätze anstatt groß angelegter Schigebiete, das Erleben und Genießen des Ursprünglichen anstatt von Riesenevents, eine nachhaltige Tourismusentwicklung statt kurzfristiger Gewinne, dass alles sind Leitmotive der Initiative Bergsteigerdörfer. Der Startschuss für die Gründung wurde im Jahre 2008 im Tiroler Ginzling gegeben, federführend dabei war der Österreichische Alpenverein. Die Grundlagen der Initiative stellen die Intentionen der Alpenkonvention dar. Waren es am Anfang 17 österreichische Bergsteigerdörfer, so ist deren Anzahl mittlerweile auf 29 gestiegen und die Mitgliedschaft hat sich auf die in den Alpen gelegenen Nachbarländer Deutschland, Italien und Slowenien ausgeweitet. Seit dem Jahre 2013 ist auch die zweisprachige Kärntner Gemeinde Zell-Sele Mitglied.

Der öffentliche Verkehr muss gefördert werden

Der Zeller Bürgermeister Heribert Kulmesch ist überzeugt, dass die Mitgliedschaft in der Initiative Bergsteigerdörfer einen immensen Werbewert im deutschsprachigen Raum darstellt. Die Bergsteigerdörfer sprechen mit ihrem Webauftritt und den Publikationen nämlich vor allem das Publikum in Österreich, Deutschland und Italien an. „Wir bemerken einen Besucheranstieg, zu uns kommen Leute, die alle Bergsteigerdörfer kennenlernen wollen“, stellt Kulmesch fest. Die Gemeinde Zell-Sele, ein Ort mit unglaublicher Landschaftskulisse und bedeutendem kulturellen Erbe, hat in touristischer Hinsicht vor allem zwei Probleme – die schlechte Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, vor allem an den Wochenenden, ist doch die Nutzung des öffentlichen Verkehrs eines der Hauptanliegen der Bergsteigerdörfer, und die bescheidenen Nächtigungsmöglichkeiten. Zurzeit stehen in der gesamten Gemeinde nur rund dreißig Betten zur Verfügung. „Es gibt zwar Gespräche über neue Unterbringungsmöglichkeiten, wir haben aber noch keine konkreten Absprachen und warten noch immer auf einen Investor“. In Zusammenarbeit mit dem Slowenischen ethnologischen Institut Urban Jarnik aus Klagenfurt wird eine neue Wanderkarte erarbeitet, in der die lokalen Flur-, Berg- und Ortsnamen in slowenischer und deutscher Schriftsprache sowie im Zeller slowenischen Dialekt veröffentlicht werden. In Vorbereitung ist auch noch eine auf Slowenisch verfasste Broschüre über das Bergsteigerdorf Zell-Sele, die in deutscher Sprache schon seit Jahren aufliegt. 

Die Zeller Bauern sorgen noch immer vorbildlich für die Erhaltung der althergebrachten Kulturlandschaft, wie es hier mit Blick auf die Koschuta zu sehen ist.

Naturerlebnisse ohne Ende

Die wichtigsten Informationen über die vielfältigen Freizeitmöglichkeiten in der Gemeinde Zell-Sele sind auf der Website der Bergsteigerdörfer abrufbar. Dort kann man sich auch über andere Mitgliedsgemeinden informieren. Die Gemeinde Zell-Sele ist noch heute beinahe vollständig slowenisch- bzw. zweisprachig und hat ein reges Kulturleben. Unter anderem sind im slowenischen Kulturverein Katoliško prosvetno društvo Planina – Sele gleich drei Theatergruppen aktiv, der Sportverein DSG Sele-Zell zählt mit seinen zahlreichen Sektionen bestimmt zu den aktiveren in Kärnten. Und natürlich gibt es in der Gemeinde unter dem zehn Kilometer langen Bergkamm der Koschuta ein vielfältiges Angebot an Wanderwegen und Klettermöglichkeiten. Die umliegenden Gipfel laden zu purem Genießen ein: Ferlacher Horn (Grlovec), Freiberg (Setiče), Hochobir (Obir) und die Koschuta (Košuta), in deren Felswand beim Lärchenturm einer der kühnsten Klettersteige trassiert ist (ohne Kletterausrüstung nicht zu empfehlen). Eine schöne Gelegenheit für einen Familienausflug stellt der Wassererlebnisweg durch den Hainschgraben (Hajnžev graben) dar, wo einst 18 Mühlen und vier Sägen ihren Dienst verrichteten. Der Start des Weges liegt in Zell-Oberwinkel (Sele-Zvrhnji Kot), von wo aus der Weg entlang des Baches zur renovierten Gornik-Mühle führt und in der man ihre Funktionen kennenlernen kann.

In der renovierten Gornik-Mühle kann man deren Funktion selbst erleben. Einst gab es im Hainschgraben 18 Mühlen.

Jezersko, die erste Mitgliedsgemeinde auf slowenischer Seite

Die Zweisprachigkeit und die Lage an der Grenze zu Slowenien waren ausschlaggebende Punkte, dass die Gemeinde Zell-Sele in die Initiative Bergsteigerdörfer eingeladen wurde, ging es doch auch darum, den Gedanken ins benachbarte Slowenien zu tragen. Als erstes Mitglied von der südlichen Seite der Karawanken trat den Bergsteigerdörfen im Jahre 2018 die Gemeinde Jezersko, unter dem Seebergsattel gelegen, bei – und zwar auf Einladung der Gemeinde Zell-Sele. Heute meint der Bürgermeister von Jezersko Andrej Karničar, dass die bisherigen Erfahrungen positiv waren. „Die Mitgliedschaft ist eine Bestätigung dafür, dass unsere Aktionen richtig sind. Dies gilt vor allem für die Erhaltung unserer natürlichen Umgebung. Durch die Mitgliedschaft bei den Bergsteigerdörfern steigt unser Bekanntheitsgrad als Bergdorf mit einer gut entwickelten touristischen und alpinistischen Infrastruktur, das interessant für ein Zielpublikum ist, das die Berge liebt und unsere Kultur und Kulinarik schätzt“.

Genauso wie in Zell-Sele auf österreichischer Seite bemerkt man auch in Jezersko einen Anstieg der Besucher, die extra wegen der Idee der Bergsteigerdörfer kommen. „Nachdem sie ähnliche Dörfer schon in Österreich, Deutschland oder Südtirol kennengelernt habe, entschließen sie sich noch für Jezersko. Die Möglichkeit, auf dem slowenischen und europäischen Tourismusmarkt bekannt zu werden, ist für die Gemeinde Jezersko langfristig von großer Bedeutung,“ ist Bürgermeister Andrej Karničar überzeugt.


Die Gemeinde Jezersko war das erste slowenische Mitglied der Bergsteigerdörfer

Eine Auswahl der schönsten Bergtouren

Zu den Verpflichtungen aller Mitglieder der Bergsteigerdörfer gehört auch die Herausgabe einer – ziemlich umfassenden – Broschüre. Für die Gemeinde Jezersko war dies eine willkommene Gelegenheit, endlich eine Info-Publikation zu verfassen. „In unserer Broschüre, die sowohl in slowenischer als auch in deutscher Sprache aufliegt, sind alle relevanten Informationen über die Bergsteigerdörfer versammelt, man kann aber natürlich auch alles Wichtige über empfehlenswerte Bergtouren erfahren, sei es im Sommer oder im Winter, oder was man bei Schlechtwetter unternehmen kann“, sagt der Bürgermeister von Jezersko Andrej Karničar, der selbst vieles dazu beigetragen hat, das die Berggemeinde zwischen den Karawanken und den Steiner Alpen das erste slowenische Mitgliedd der Bergsteigerdörfer wurde.

Luče ist das zweite slowenische Bergsteigerdorf

Die Idee der Bergsteigerdörfer findet auch anderorts immer mehr Anklang und Interesse, geht es doch auch um die Wertschätzung der lokalen kulturellen Identität und der natürlichen Gegebenheiten, die nicht mit irgendwelchen Mega-Investitionen getoppt werden sollten. Waren anfangs, wie schon erwähnt, die Bergsteigerdörfer eine rein österreichische Initiative, sind sie mittlerweile international geworden. Als zweites slowenisches Mitglied trat voriges Jahr die Gemeinde Luče im Savinjatal (Sanntal) bei.