Was man nicht sagen kann, soll man malen
Über den Dichter Gustav Januš schrieb der verstorbene Dichter Fabjan Hafner, dass schon sein Geburtsdatum poetisch sei, „voller Reime, obwohl sich nicht die Wörter reimen, sondern die Zahlen: 19. 9. 1939. Das Dichten war ihm offenbar bestimmt, es wurde ihm in die Wiege gelegt“.
Autor BOJAN WAKOUNIG
Fotos BOJAN WAKOUNIG, MOHORJEVA HERMAGORAS
Über Gustav Januš schrieb Fabjan Hafner auch, dass er „unter den ernsthaft auf Slowenisch schreibenden Kärntner Autoren, wohl nicht ganz zu Unrecht, als der lichteste und launigste, als der spitzbübischste Schalk“ gilt. Auf jeden Fall kann Januš in keiner Schublade kategorisiert werden. Auch in seien Ausdrucksformen benützt er verschiedene Mittel. Gustav Januš wird heute sowohl als Poet als auch als bildender Künstler geschätzt
Sie haben sich zuerst einen Namen als Sprachkünstler gemacht, heute sind sie vor allem bildender Künstler. Die Quelle der Kreativität ist also noch immer aktiv, nur die Ausdrucksform hat sich geändert?
Das Bild und das Wort harmonieren, ich suche das Gleichgewicht. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat gemeint: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Ich glaube, was man nicht sagen kann, soll man malen. Und auf diese Art harmonieren beide Ausdrucksformen. Auf einer Seite das Bild, das schnell erkennbar ist, und auf der anderen Seite das Gedicht, das man zuerst lesen muss, um den Inhalt zu erleben.
Auch mit dem Bild muss man sich auseinandersetzen. Ihre Bilder sind nicht figurativ, sondern abstrakt.
Der Hermagoras-Verlag hat vor kurzem meine ersten Gedichte herausgegeben und mit ihnen auch meine ersten Bilder veröffentlicht. Die waren sehr figurativ, Abbildungen des Alltages auf eine eher naive Art. Mit der Zeit habe ich eine neue Ausdrucksform sowohl in der bildnerischen Kunst als auch in der Lyrik entwickelt. Bei den alten Gedichten harmonieren das Bild und das Gedicht. Als Lyriker habe ich aber mit eher abstrakten Gedichten begonnen.
Und dann haben sie begonnen in einer publikumsnahen Sprache zu schreiben, damit die Zuhörer bei den Lesungen nicht einschlafen...
Worauf sie dann immer applaudierten, was mir aber peinlich wurde. Deswegen kehrte ich zu eher hermetischen Gedichtformen zurück. Früher habe ich die Umwelt beobachtet, später habe ich begonnen mit der Sprache eine andere Wirklichkeit zu suchen.
Sind die neueren, eher hermetischen Gedichte also deutlicher Ausdruck ihres inneren Erlebens als die früheren?
Ich glaube schon. Das Gedicht wird dadurch auch dichter, es erwächst eine andere Umwelt, die anfangs unsichtbar ist und sich mit dem Wort offenbart. Das sind Gedichte, die aus einem äußeren Erleben entstehen, aber Wörter in sich tragen, die aus innerer Neugierde entstanden sind.
Sowohl in der Malerei als auch in der Poesie besitzen sie einen typischen Stil. Wann haben sie in der Malerei ihren eigenen Ausdruck gefunden?
Der Entwicklungsprozess hat mich gefreut, weil ich ständig wie ein Abenteurer auf dem Weg war und neue Formen gesucht habe, die nicht alltäglich sind. Dadurch habe ich die Farben mit Flächen kombiniert, bis ein gegenseitiges Gleichgewicht entstanden ist. Zuerst habe ich eher in naiver Art gemalt. Als die Wissenschaft von Schwarzen Löchern zu reden begann, ich war damals Physiklehrer, fand ich sie interessant und versuchte sie in meine Bilder einzubinden. Und so entstand im Jahr 1987 meine bildnerische Handschrift, die sich noch heute weiterentwickelt.
Ist die Kunst ein Gegengewicht zur physischen Welt, sozusagen eine Art metaphysischer Ebene?
Vielleicht auch. Ich meine, dass es etwas außer der Physik gibt, das man vielleicht einerseits nur durch den Glauben, andererseits durch die Kunst erleben kann. Der Mensch lebt die reale Welt, manchmal aber auch eine Traumwelt, durch die er zum Abenteuer kommt – und das ist jene Kunst, die dich dazu bringt, deinen eigenen Ausdruck mithilfe des Wortes, des Bildes oder der Musik zu suchen.
Sie suchen ein Gleichgewicht zwischen der technischen oder physischen Welt und dem Universum des Schönen.
Es ist wohl jeder Mensch zum Träumen veranlagt, andererseits aber auch in der Realität verhaftet. Dabei einen Kompromiss und eine Gelassenheit zu finden ist die wichtigste Lebensaufgabe. Einen Ausgleich zwischen der Physik und, wie sie gesagt haben, der Metaphysik.
Schreiben Sie nur auf Slowenisch?
Ich begann auf Slowenisch zu schreiben, weil es meine Mutter-, und heute würde man auch sagen, Vatersprache ist. Slowenisch ist die Sprache des Herzens, Deutsch wurde sozusagen zur Amtssprache. Doch ist mir diese Sprache mittlerweile so nahe, dass ich beim Schreiben hin und her springen kann und oft werden die Gedichte, wenn ich sie selber übersetze, dadurch sogar dichter. Meine Sprache der Lyrik bleibt aber das Slowenische. Weil ich manchmal selbst übersetze, spüre ich, dass man seine Sprache erlernen muss, wenn man einen Dichter richtig verstehen möchte.
Ihre Gedichte begann Peter Handke ins Deutsche zu übersetzen. Beim Übersetzen kann natürlich so manches verloren gehen oder neu entstehen. Wie erging es Handke mit ihren Gedichten?
Manchmal hat er ein anderes Wort gewählt, aber im Großen und Ganzen hat er wortwörtlich übersetzt. Ich glaube, man müsste so gut schreiben können, wie das in der Heiligen Schrift der Fall ist. Das Vaterunser klingt in allen Sprachen schön. Wenn ein Gedicht auch in einer anderen Sprache nicht seine Gültigkeit verliert, dann ist das etwas sehr Klassisches.
Ein Blick noch in ihre Kindheit. Sie sind in Zell-Oberwinkel (Sele-Zvrhnji Kot) aufgewachsen.
Ich wurde im Jahr 1939 beim Hlipovčnik in Zell geboren. Meine Mutter war bäuerlicher Abstammung und Schneiderin. Der Vater kam aus Tržič, Jahrgang 1890. Er war zuerst Soldat, dann Gendarm in Ljubljana. Als im Jahr 1918 die Grenze gezogen wurde, wollte man ihn nach Kroatien versetzen, er ging aber lieber nach Österreich, wo er sich als Forstarbeiter verdingte. Wie er nach Zell kam, ist mir unbekannt. Als mein Vater starb, war ich 28 Jahre alte, beim Tod der Mutter war ich 26. Damals war ich eher in der Opposition, heute tut es mir leid, dass ich mich nicht mehr mit meinen Eltern unterhalten habe.
Zell-Oberwinkel liegt direkt unter der mächtigen Felswand der Koschuta. Wie erlebten sie diese Umgebung? Als abgeschottet?
Während des Krieges waren bei uns Partisanen und deutsches Militär, wir waren zwischen den Fronten. Nach dem Krieg wurde die Grenze von serbischen Grenzsoldaten streng bewacht und sie war unpassierbar. Ich hatte Verwandte in Tržič, doch wegen aller Hindernisse haben wir uns mit der Zeit entfremdet.
Sie sind mittlerweile schon im neunten Lebensjahrzehnt. Sind sie noch künstlerisch tätig?
Ja, natürlich. Ich male fast jeden Tag und freue mich, wenn dabei etwas entsteht. Noch immer interessiert mich meine Entwicklung in der Malerei. Was die Entwicklung ist, weiß ich selber nicht so genau, aber ein gelungenes Bild erfreut mich. Immer wieder treibt mich etwas in das Abenteuer der Kunst, über die Paul Klee gesagt hat: Die Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.“ Die größte Auszeichnung für mich ist, wenn ich es schaffe, die Bilder und Gedichte unter die Menschen zu bringen.
Der Schmetterling
Der Polizist nahm
den Schmetterling fest,
der sich irrtümlich
auf sein Moped gesetzt hatte.
Er legte ihm Handschellen an
und führte ihn auf die Wachstube,
um seine wichtigsten Daten
aufzunehmen.
Als er ihn befragte,
warum er sich denn
auf sein Moped gesetzt habe
und ob er nicht wisse,
dass das strafbar sei und
er laut Paragraph soundso
belangt werden könne,
wandte sich der Schmetterling
der Sonne zu,
flog aus dem Fenster,
ohne sich vom Polizisten
zu verabschieden, der
die Sonne wohl nicht so liebt
wie er.
Bojan Wakounig