Radovljica, Heimatstadt des ersten slowenischen Dramatikers und Historikers

In der malerischen Stadt Radovljica, am Fluss Save auf halbem Wege zwischen Bled und den Karawanken gelegen, wurde der slowenische Aufklärer, Dramatiker und Historiker Anton Tomaž Linhart geboren.

    Autorin MARJANA AHAČIČ
    Übersetzung BOJAN WAKOUNIG
    Fotos GORAZD KAVČIČ, TINA DOKL

Das Vermächtnis Anton Tomaž Linharts ist in Radovljica an jeder Ecke zu spüren. Nach ihm, dem berühmten Sohn der Stadt, der vor mehr als 250 Jahren im alten Stadtkern zur Welt kam, ist der Hauptplatz benannt, daneben aber noch eine Gasse, der örtliche Kultursaal, die Grundschule, der Chor, sogar die Auszeichnungen der Gemeinde, ein Cafe und die neue Stadtbibliothek tragen seinen Namen.

Anton Tomaž Linhart wurde in Radovljica am 11. Dezember 1756 geboren, sein Geburtstag ist seit mehr als zwanzig Jahren auch Gemeindefeiertag. Das Denkmal für den Intellektuellen, Aufklärer, ersten slowenischen Dramatiker, Pionier der modernen slowenischen Geschichtsforschung und hohen Staatsbeamten im damaligen Kaiserreich Österreich steht gegenüber dem Wirtschaftsgymnasium an der zentral gelegen Straße Gorenjska cesta. Es hat die Form einer Bühne und eines Buches, aus dem Linharts Gestalt herausgeschnitten ist.

Um Linharts Leben und Schaffen näher kennenzulernen, empfiehlt es sich, die Erkundungstour mit einem Besuch im Stadtmuseum, das im Stadtschloss untergebracht ist, zu beginnen. Seit gut zehn Jahren ist dort auch eine Ausstellung über den berühmten Sohn der Stadt beheimatet, die in Zusammenarbeit mit dem Slowenischen Theatermuseum gestaltet wurde.

„Anton Tomaž war das einzige Kind in der Familie, dem der Vater, ein gebürtiger Tscheche, eine Schulkarriere ermöglichen konnte. Er begann sie in Radovljica, setzte dann den Schulbesuch im Jesuitengymnasium in Ljubljana fort und ging dann zum Studium nach Wien, um Staatsbeamter zu werden,“ erklärt die Museumskuratorin Katja Praprotnik und fügt hinzu, dass sich der junge Linhart gerade in der Kaiserstadt für die Aufklärung begeistert hat.

„Nach seiner Rückkehr nach Krain war er eine Zeit lang Kreisschulinspektor. Interessant ist, dass er sogar seinen ehemaligen Lehrer in Radovljica Janez Eš beaufsichtigen musste. Wie uns bekannt ist, war er mit seiner Arbeit nicht ganz zufrieden, weswegen er ihn zur Fortbildung nach Ljubljana schickte.“

Später wurde er zum Sekretär der Landesregierung ernannt: er war der erste Krainer aus dem Bürgerstand, der es als Beamter so weit gebracht hatte. Dieses Amt war bis dahin nämlich dem Adel vorbehalten. Linhart war eine Ausnahmeerscheinung auch durch sein für die damalige Zeit außerordentliches Wissen, betont die Museumskuratorin. „Bei all dem, was er tat und schrieb, ist gerade dieses enorme Wissen und seine Bemühungen darum, es unter seine Mitmenschen zu bringen, für mich das Faszinierendste an ihm.“


Über sein Privatleben ist wenig bekannt, erklärt Katja Praprotnik. Im Laibacher Personenstandsbuch ist zu lesen, dass er sich 1769 mit Jožefa Detela vermählte, einer 1769 in Ljubljana geborenen Bürgerstochter aus gutem Hause. Im Besitz ihrer Familie stand ein Gasthaus mitsamt Hotel. Im Geburtenbuch der Laibacher Kathedrale sind die Geburten beider Töchter Linharts vermerkt: Sophie Antonia wurde im Jahre 1788 geboren, ihre Schwester Maria Amalia kam drei Jahre später zur Welt.

Am Fuße des Burghügels in Ljubljana begann Linhart mit dem Bau eines Hauses. Doch während der Arbeiten am großen dreigeschossigen Gebäude platze ihm die Aorta: er starb im Juli 1795 und wurde am Friedhof bei der Kirche des Hl. Christoph, wo sich heute das Messezentrum befindet, begraben. Seine Witwe Jožefa ließ den Besitz schon bald nach seinem Tod versteigern und verkaufte ihn im Jahre 1798 um den geringen Preis von 600 Gulden.

Die Witwe übersiedelte danach mit beiden Töchtern nach Wien und noch bis vor kurzem galt die Überzeugung, dass dort jede Spur von ihnen verloren ging. Doch ein Artikel in der Laibacher Zeitung aus dem Jahre 1831, den Miha Valant aus Radovljica während der Arbeit an seiner Masterarbeit fand, berichtet davon, dass in Ljubljana die bekannte Sängerin Sophie Linhart auftreten solle, was neue Hoffnungen erweckte. „Wir machten uns sofort an weitere Forschungen, sind aber noch nicht viel weiter gekommen“, sagt Katja Praprotnik.

„Mit der Kollegin Nadja Gartner Lenac gingen wir zuerst in die Archive nach Ljubljana, fanden aber nichts Konkretes. Danach fokussierten wir uns auf die im Artikel enthaltene Information, dass Sophie Ehrenmitglied des Musikvereins gewesen sei. Ich verfasste ein freundliches Schreiben an dessen Archiv, auf Deutsch natürlich. Die Antwort kam sehr rasch. In slowenischer Sprache. Es schrieb uns Marko Motnik, der uns seine Hilfe bei der Suche in Wiener und anderen österreichischen Archiven anbot.“

Zur Zeit gibt es keine Angaben darüber, was Linharts Frau und die beiden Töchter in Wien bis zum Jahre 1813 gemacht haben, erklärte Marko Motnik einige Monate später in einem Vortrag im Stadtmuseum von Radovljica. Im Sterbebuch im Wien wurde aber jene Adresse gefunden, an der Jožefa Linhart zum Zeitpunkt ihres Todes gelebt hatte. Die Wohnadresse der älteren Tochter Sophie wurde in einem im Jahre 1823 veröffentlichten Verzeichnis aller in Wien lebenden Musiker gefunden; darin befand sich auch der Name Sophie Linhart.

„Das Haus steht noch immer. Dort wohnte auch der sehr bekannte Komponist und Musikpädagoge Emanuel Aloys Foerster. Seine Frau entstammte dem Adel, mit der Familie hatte auch Sophie Linhart Kontakt“, erläuterte Marko Motnik.

Bei seinen Forschungen konnte er in Erfahrung bringen, dass Sophie bei zwei großen Wiener Lehrern Gesangsunterricht nahm: der erste war der Hofkapellmeister Antonio Salieri, einer der gesuchtesten Gesangs- und Kompositionslehrer seiner Zeit, der zweite war der noch um einiges mehr geschätzte, wenn auch heute weniger bekannte Pädagoge Giuseppe Tomaselli, damals Tenorist in der Hofkapelle.

Der erste Zeitungsbericht über ein Konzert Sophies erschien im Mai 1813, als sie bei einem Benefizkonzert der Gesellschaft adeliger Damen im Festsaal der Wiener Universität auftrat. In der Konzertkritik ist zu lesen, dass „unsere neue erfreuliche Gestalt am hiesigen Musikhorizont den Part des Erzengels Gabriel übernahm. Sie hat sich den Applaus aufgrund der Klarheit und Kraft ihrer schönen Stimme, ihrer korrekten Intonierung und gefühlvollen Deklamation von allen Darbietenden am redlichsten verdient.“

Von diesem Zeitpunkt an folgt Konzert auf Konzert, stellte Motnik fest. Ihre erfolgreiche Musikkarriere dauerte mindestens zehn bis fünfzehn Jahre, der Höhepunkt war in den Jahren 1817 bis 1827, rund 75 Konzerte sind in dieser Zeit nachweisbar. Einige fanden sogar vor mehreren Tausend Zuhörern statt. Meistens sang sie in Wien, sechsmal trat sie auch in Ljubljana auf. Obwohl sie nicht viele Opern sang, war sie in der Saison 1817/18 unter den ersten Solistinnen eines der wichtigeren Opernhäuser Wiens.

Das Gebäude, das als Geburtshaus Linharts gilt, steht am Beginn des alten Stadtkerns. Im Erdgeschoss befindet sich heute ein Buchantiquariat.

Im Stadtmuseum von Radovljica ist man schon sehr gespannt auf die nächsten Forschungsergebnisse im Zusammenhang mit der Familie Linhart und hofft, eines Tages jenes Haus kaufen zu können, in dem Linhart seine Kindheit verbracht hatte.

„Das Haus, das als sein Geburtshaus gilt, wurde an der Stelle des im Jahre 1935 abgebrannten Gebäudes errichtet, es ist aber fraglich, ob dies tatsächlich sein Geburtshaus war“, erklärt Katja Praprotnik. „Meine Kollegin Nadja Gartner Lenac hat Interessantes festgestellt: Linhart wurde zwar mit Sicherheit in Radovljica geboren, doch wahrscheinlich in einem der anderen Häuser am Platz, der heute seinen Namen trägt. Im Haus, das als sein Geburtshaus bezeichnet wird, hat er aber bestimmt gelebt, denn man weiß, dass es sein Vater bald nach der Geburt seines Sohnes gekauft hatte. Heute befindet es sich in Privatbesitz; ein großer Wunsch des Museums und der Gemeinde ist, es eines Tages erwerben zu können. Im Erdgeschoß befindet sich schon einige Zeit ein Buchantiquariat, was ein sympathischer Zufall ist. Schön, dass im Haus gerade Bücher sind…“