Regina Schaunig, die Schriftstellerin des Romans „LIHARDA. Das Leben der Hildegard von Stein“

Vita

Regina Schaunig, 1956 in Kärnten geboren, studierte Germanistik, Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Philosophie und Kulturwissenschaft in Graz und Klagenfurt. Sie publizierte Bücher und Beiträge zur Literatur der Moderne und war bis 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Robert-Musil-Instituts der Universität Klagenfurt und des Kärntner Literaturarchivs. Als Literaturwissenschafterin trat sie besonders durch textgenetische und iographische Forschungen zu Robert Musil und Ingeborg Bachmann hervor. Seit 2017 lebt sie als freie Schriftstellerin in Gallizien/Galicija, Kärnten.

Felsbildstock mit Malerei "Liharda"

Historischer Roman: LIHARDA. Das Leben der Hildegard von Stein

Hildegard von Stein, genannt Liharda Kamenska, die “barmherzige Mutter der Slowenen” (Anton Martin Slomšek), lebte knapp 200 Jahre vor Hildegard von Bingen und zählt wegen ihrer Armenfürsorge und weiblichen Selbstbestimmung zu den wenigen Frauen des Mittelalters, denen es gelang, eine aktive Rolle in der Gesellschaft zu spielen. Beheimatet im Grenzgebiet Karantanien, vermittelte die Volksheilige aus dem “dunklen” 10. Jahrhundert zwischen slawischer und deutscher Bevölkerung, zwischen Heiden und frühen Christen. Während ihr die Erfahrung häuslicher Gewalt nicht erspart blieb, zog sie sechs Kinder groß, entwickelte eine rege Bautätigkeit und schaffte es als Frau gängige Rollenbilder zu durchbrechen und ihre Visionen umzusetzen. Der sorgfältig recherchierte Roman von Regina Schaunig bietet ein Kaleidoskop an Themen und unmittelbaren Schilderungen des Sozial- und Alltagslebens und wird so zu einem Stück Kulturgeschichte. 

 

Interview mit der Schriftstellerin - Teil 1

Wie kamen Sie dazu, diesen Roman zu schreiben? 

SCHAUNIG: Ich könnte vieles aufzählen, doch tatsächlich entscheidend war für mich ein anderes Schreibprojekt, mit dem ich nicht vorankam, ein Retro-Roman.Mir wurde klar, dass sich so etwas nicht aus der Theorie heraus schaffen lässt. Eigentlich um dieses andere Buch zu schreiben, zog ich in ein altes Bauernhaus aufs Land, sozusagen in ein “romantisches Schreibhäuschen”.Hier angekommen, zeigte sich, dass der bloße Ortswechsel nicht reichte. Ich war hier gewissermaßen nur Tourist. Um als Autor wirklich etwas Authentisches zu schaffen, musste ich wesentlich tiefer eintauchen und neue, unerwartete Dinge entstehen lassen. Der Ort, an dem ich gelandet war, hatte natürlich seine eigenen Geschichten. Und während ich mich dafür interessierte, stieß ich auf “Liharda”. 

Warum gerade die Lebensgeschichte Hildegards von Stein? 

SCHAUNIG: Ich war zwischen Steiner Berg und Skarbin eingeklemmt, oder fühlte mich zumindest so. Und als ich diese Legende las, verspürte ich den Drang, diese kärntnerisch-slowenische Volksheilige aus ihrem “dunklen Jahrhundert” zu holen und ihr – nach mehr als 1000 Jahren – wieder eine Stimme zu geben! Während ich selbst ein wenig wie im Mittelalter lebte, in engen, niedrigen Räumen, mit vergitterten Fenstern, rauchenden Holzöfen, Ruß an den Händen, körperlicher Arbeit, Pferden, Schweinen, Hühnern usw. vor der Haustür, nahm diese Geschichte immer mehr Gestalt an. Dazu kam die Stille, der Rhythmus der Jahreszeiten, der ständige Blick in die Natur und dieser mythische, verträumte Landstrich unterm Obir, die Drau, das Möchlinger Moor, die Bauernhöfe, verwinkelten Dörfer und natürlich die Menschen dieses gemischtsprachigen Gebiets. Das alles habe ich eingeatmet und verarbeitet. 

Felsbildmalerei über Liharda

Interview mit der Schriftstellerin Teil 2

Was ist bzw. was will dieser Roman? 

SCHAUNIG: Er möchte eine möglichst nahe Rekonstruktion dieser Lebensgeschichten und Lebensumstände, eine Schilderung der Zeit, der Kultur und Gesellschaft sein.  

Es ist also ein historischer Roman, man kann auch sagen: Frauenroman, wenngleich er so angelegt ist, dass der Leser zwischen weiblicher und männlicher Perspektive ’switchen‘ kann. Eigentlich wollte ich Liharda Kamenska neben Persönlichkeiten wie die 90 Jahre später geborene begüterte Hemma von Gurk oder die große Gelehrte und Mystikerin Hildegard von Bingen stellen. Sie war natürlich weder eine Herrscherin noch eine Universalgelehrte, sondern eine kleine Gräfin im Schatten der Karawanken, die es aber dennoch geschafft hat, bis heute im Gedächtnis der Menschen zu bleiben. Über die hl. Hemma gibt es ja den Roman von Dolores Visèr aus den 1950er Jahren. Ich staune darüber, wie viele ihn gelesen haben und welche Wirkung die literarische Bearbeitung dieses Stoffes besaß und heute noch besitzt. Vielleicht stößt die nun vorliegende Darstellung ebenfalls aktuelle Diskussionen an, die zu einer Neuentdeckung dieses Fraueneben aus dem 10. Jahrhundert führt.  

Liharda ist für mich eine Heilige zum Anfassen. Und eine Vermittlerin zwischen slawischer und deutscher Bevölkerung, Christentum und Naturreligion. Sie verfügte über vergleichsweise wenig Besitz und politisch-gesellschaftlichen Einfluss, zog nebenbei 6 Kinder groß und musste ziemlich wahrscheinlich mit häuslicher Gewalt leben. Dennoch hatte sie den Mut, als Frau gängige Rollenbilder zu durchbrechen, Eigenständigkeit zu leben und ihre Visionen umzusetzen.  

Das Volk aber verehrte und verehrt sie bis heute vor allem wegen ihrer Wohltätigkeit und Barmherzigkeit, ihrer Hingabe an Arme und Kranke. Südlich der Karawanken wird sie sogar als “Mutter der Slowenen” bezeichnet. Vielleicht spricht wirklich einiges dafür, sie ein wenig zu mythisieren und eine „barmherzige Mutter des Jauntals“ zu nennen? 

Neben dem Frauenthema geht es in “Liharda” also auch um historische Grundlagen der Kärntner Nationalitätenfrage. Der junge Mönch Abraham, später Freisinger Bischof, ein Zeitgenosse Hildegards von Stein, der die ältesten „slowenischen“ Texte niederschrieb, wandert ebenfalls durch diesen Roman... 

Als drittes großes Thema wird darin die Christianisierung behandelt. Es war mir tatsächlich ein Anliegen, das Christentum nicht bloß als Bigotterie, Inquisition oder leeres Ritual darzustellen, sondern als persönliche "innere Welt" zu betrachten und positiv erlebbar zu machen. Ich habe einige sehr gläubige Katholiken kennengelernt, denen ich so auch ein Denkmal setzen wollte.  

 

Wie entstand der Text? 

SCHAUNIG: Erstaunlich war von Beginn an die Flut an Ideen und Szenen, die für mich einfach da waren. Das Schreiben ging mit einer ungewohnten Leichtigkeit voran, die Figuren führten sogleich ihr Eigenleben und “wussten selbst, was sie wollten”…  

Ich saß meist unterm Apfelbaum vor meinem Haus und tippte fast ohne Pause. Immerhin brauchte ich für die Vorarbeiten und die eigentliche Niederschrift nur 8 Monate, von April bis Dezember 2018. 

Die Arbeit machte unheimlich viel Spaß und ich fühlte mich teilweise in diese Zeit des Frühmittelalters zurückversetzt. 



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